Online-Dialog: Mit digitalen Mitteln Bürger einbinden

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Online-Dialog zur Begleitung von Prozessen

Abbildung: Online-Dialog

Auch die Bürgerbeteiligung ist im Internetzeitalter angekommen. Mit einem Online-Dialog erreicht man nicht nur junge Menschen, sondern auch zeitlich eingeschränkte Zielgruppen wie beispielsweise Berufstätige und Eltern. In Kombination mit klassischen Vor-Ort-Veranstaltungen können so mehr Menschen für ein Beteiligungsverfahren gewonnen werden.

 

Ein Online-Dialog kann den gesamten Planungsprozess begleiten. Zweck kann sein, im Vorhinein Themen und Einschätzungen zusammenzutragen, im Verlauf Vorschläge zu sammeln oder auch Maßnahmen zu priorisieren. Konflikte können online dagegen nur begrenzt bearbeitet werden.

 

Gruppengröße: unbegrenzt

 

Zeitrahmen: das gesamte Projekt begleitend, pro Konsultationsschritt mehrere Wochen

 

Kosten: Webseite/Online-Tool (Programmierung, Lizenz, Hosting etc.), Betreuung (z. B. Moderation), ggf. Bewerbung des Online-Dialogs

 

Zielgruppe: interessierte Bürger

 

Grad der Beteiligung: Konsultation


Hintergrund und Prinzipien

Mit Verbreitung des Internets hielt diese neue Kommunikationstechnik Einzug in die Politik und Verwaltung. Zum einen wurde das Potenzial erkannt, die Kommunikation zwischen Verwaltungen und Bürgern zu erleichtern, indem z. B. Verwaltungsakte online erledigt werden können. Dieser Trend wird unter dem Begriff des „E-Government“ zusammengefasst. Zum anderen bietet das Internet die Möglichkeit, politische Beteiligungsprozesse zu reformieren. Hierfür wird der Begriff der „E-Partizipation“ verwendet. Online-Dialoge fallen in diese Kategorie.

 

Online-Dialoge können ganz unterschiedlich gestaltet werden. Es können Möglichkeiten zur Kommentierung oder zur Abstimmung eingerichtet werden oder auch gemeinsame Dokumente erstellt werden. Damit sind sie vielseitig gestalt- und einsetzbar und können auf das jeweilige Ziel des Beteiligungsverfahrens zugeschnitten werden.

 

Online-Dialoge haben mehrere Vorteile: Die Teilnehmer können jederzeit auf das Angebot zugreifen. Dies kommt vor allem jüngeren Menschen entgegen, da sie meist internetaffin sind und oft auch aufgrund von Familie und Berufstätigkeit nur wenig Zeit haben. Zudem ist die Hürde, eigene Beiträge zu verfassen oder Fragen zu stellen, geringer, weil weder vor anderen Teilnehmern gesprochen werden muss noch Zeitdruck beim Formulieren der Anliegen herrscht. Außerdem können sich die Initiatoren ganz unterschiedlicher grafischer Werkzeuge bedienen: Ob es nun darum geht, Maßnahmenvorschläge einzureichen oder Maßnahmen zu bewerten, die Benutzeroberfläche kann den Zweck des Online-Dialogs grafisch unterstützen.

 

Jedoch können Online-Dialoge nur zu einer breiteren Beteiligung beitragen, wenn sie mit Präsenzveranstaltungen kombiniert werden. Sonst würden Personenkreise, die keinen (regelmäßigen) Zugang zum Internet haben oder mit Computern nicht ausreichend umgehen können oder wollen, ausgeschlossen. Hier spricht man von der „digitalen Spaltung“: Die Ungleichheit zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen reproduziert sich im Netz. So sind es meist jüngere, höhergebildete Gruppen, die das Internet zur politischen Meinungsäußerung nutzen.

 

Bei Online-Dialogen muss zudem beachtet werden, dass die Ergebnisse – ähnlich wie die Ergebnisse von Präsenzveranstaltungen – meist kein repräsentatives Meinungsbild für den Ort oder die Region darstellen, wenn keine geschlossene Einladung, zum Beispiel durch Zufallsauswahl, erfolgt. Denn wenn die Teilnahme jedem freigestellt ist, kann bei Online-Dialogen und Veranstaltungen weder garantiert werden, dass sich nur die betroffenen Bürger (z. B. Einwohner einer Gemeinde) einbringen, noch kann verhindert werden, dass sich bestimmte Gruppen stärker einbringen als andere. Bei Online-Dialogen kann jedoch die Auswertung der Nutzerstatistiken suggerieren, dass es sich hier um repräsentative Zahlen handelt.

 

Grundsätzlich muss die Entscheidung getroffen werden, ob die Teilnehmer anonym Kommentare verfassen können oder sich registrieren müssen und ob dies mit vollem Namen geschehen muss oder ob Benutzernamen frei gewählt werden können. Alle drei Optionen bieten Vor- und Nachteile: Je mehr Daten bei der Registrierung angegeben werden müssen, desto schärfer wird das Bild der Teilnehmer als Kontext für die Diskussionen. Jedoch kann dies zugleich auf viele potenzielle Teilnehmer abschreckend wirken. Die Teilnahme ohne Registrierung stellt zwar die niedrigste Hürde für eine Teilnahme da, jedoch ist dann schwerer nachvollziehbar, welche Beiträge von der gleichen Person kommen und die Teilnehmer können bei Verstößen gegen die Gesprächsregeln nur schwer direkt angesprochen werden. Vorsicht ist generell beim Thema Datenschutz geboten. Dies sollte mit dem zuständigen Datenschutzbeauftragen und gegebenenfalls mit dem Anbieter des Internetportals besprochen werden.

Prinzipien:

  • Design und Inhalt der Webseite sind nutzerfreundlich.
  • Die Diskussion wird moderiert, um für die Einhaltung von Gesprächsregeln zu sorgen.
  • Alle Beiträge werden gleich gewichtet.
  • Die Webseite befolgt die Datenschutzverordnungen.
  • Die Webseite ist so barrierefrei wie möglich.

Ablauf

Vorbereitung:

  • Auswahl des Themas und Festlegen des Ziels des Online-Dialogs: Von Anfang an muss klar sein, welches Thema bzw. welcher Aspekt im Online-Dialog behandelt werden soll und was das Ziel der Beteiligung ist. Sollen z. B. Maßnahmen vorgeschlagen oder Prioritätensetzungen erfasst werden?
  • Vorbereiten der zu kommentierenden Dokumente, Maßnahmen o. ä.: Der Inhalt der Konsultation muss je nach Ziel des Online-Dialogs aufbereitet werden. Sollen zum Beispiel Maßnahmen kommentiert werden, müssen diese zunächst verständlich und übersichtlich aufgelistet werden.
  • Auswahl/Konzeptionierung des Online-Tools und Programmierung: Aus dem Ziel und der Aufbereitung des Inhalts ergeben sich Vorgaben für die Webseite. Sollen Beiträge in einem Forum verfasst oder etwas in einer interaktiven Karte eingetragen werden? Die Bandbreite möglicher Formate ist groß und verschiedene Anwendungen können miteinander kombiniert werden. Für die Umsetzung kommen Anbieter in Frage, die ihre Tools an die Vorgaben des jeweiligen Verfahrens anpassen. Oder es sind Kapazitäten der internen IT vorhanden, sodass sie selbst eine entsprechende Webseite programmieren können.
  • Bewerbung des Online-Dialogs: Um Menschen zur Teilnahme an einem Online-Dialog zu motivieren, reicht ein innovatives Design nicht aus. Die Teilnehmer müssen zunächst auf anderen Kanälen erreicht und aktiviert werden. Dies gilt auch für die Menschen, die offen für Online-Formate sind. Eine intensive Bewerbung bietet zudem die Chance, Personen für den Online Dialog zu gewinnen, die das Internet nicht regelmäßig (für diese Zwecke) nutzen.

 

 

 

Durchführung:

  • Kommentierungsphase: Nun haben die Teilnehmer mehrere Wochen Zeit, sich am Online-Dialog zu beteiligen. Wenn Beiträge verfasst werden können, müssen diese während der gesamten Beteiligungsphase moderiert werden.
  • Auswertung: Der Arbeitsaufwand, der mit der Auswertung verbunden ist, hängt von der Art des Online-Dialogs ab. So müssen Beiträge zum Beispiel zu einer Sammlung von Argumenten zusammengefasst werden. Priorisierungen lassen sich dagegen aus quantitativen Zahlen ablesen. Hier ist noch einmal besonders zu beachten, dass es sich nicht um ein repräsentatives Meinungsbild handeln muss.

 

Dokumentation:

Die Zusammenfassung des Online-Dialogs sollte auf der Webseite zur Verfügung gestellt und gegebenenfalls in Veranstaltungen vorgestellt werden. Die Ergebnisse fließen in das Gesamtverfahren ein; über die Art und Weise sollte ebenfalls transparent informiert werden.


Hinweise

Die Webseite sollte das gesamte (Plan-) Verfahren begleiten, selbst wenn dies deutlich länger dauert als der eigentliche Beteiligungsprozess. Dort kann über das laufende Verfahren informiert, die Ergebnisse präsentiert und später erläutert werden, wie die Hinweise aus dem Online-Dialog in das Gesamtverfahren eingearbeitet wurden.


Praxisbeispiel: Online-Dialog zur Windenergie in Heidelberg

Der Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim und die Stadt Heidelberg stellten im Herbst 2015 mögliche Standorte für Windenergieanlagen in einem Online-Dialog zur Diskussion. Fünf Wochen hatten die Heidelberger Zeit, diese auf einer eigens eingerichteten Webseite zu kommentieren. Nach dieser Zeit konnte die Webseite knapp 2.500 Besucher, mehr als 450 Beiträge und etwa 400 Kommentare verbuchen. Neben dem Online-Portal konnten sich die Bürger den Planentwurf auch vor Ort beim Nachbarschaftsverband ansehen und ihre Stellungnahmen per E-Mail oder Post an den Nachbarschaftsverband oder den Heidelberger Oberbürgermeister schicken. Auch diese Möglichkeiten nahmen viele Menschen in Anspruch.

 

Hintergrund war die Aufstellung eines Flächennutzungsplans durch den Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim, der Konzentrationszonen für die Windenergienutzung in den Mitgliedskommunen ausweisen sollte. Für die Stadt Heidelberg legte der Nachbarschaftsverband sieben Standortvorschläge vor. Die Stadt Heidelberg sollte dazu eine Stellungnahme abgeben. Da sie sich in ihren „Leitlinien zur mitgestaltenden Bürgerbeteiligung“ verpflichtet hatte, ihre Bürger in derartige Vorhaben einzubeziehen, wollte sie für ihre Stellungnahme die Meinung der Bevölkerung einholen.

 

Das Beteiligungsverfahren wurde mit einer Informationsveranstaltung des Nachbarschaftsverbandes eröffnet, in dessen Anschluss der Online-Dialog freigeschaltet wurde. Auf der Beteiligungswebseite wurden Informationen zum Flächennutzungsplan und zu den verschiedenen Flächen bereitgestellt. Die Diskussion wurde in verschiedene Bereiche gegliedert. Es gab die Möglichkeit standortübergreifende Beiträge zu schreiben. Hier wurde unterteilt in „Windenergie in Heidelberg“ und „Online-Verfahren der Bürgerbeteiligung“. Zudem gab es Diskussionsbereiche zu den einzelnen Flächen. Dort sollten die Beiträge ebenfalls thematisch sortiert werden: in „Wohnort und Lebensumfeld“, „Raum für Freizeit und Erholung“, „Landschaftsbild“, „Natur- und Artenschutz“, „Beitrag zur Energiewende“ und „sonstige Blickwinkel“. Um Beiträge schreiben zu können, musste man sich mit seiner E-Mail-Adresse und einem Benutzer- oder seinem echten Namen registrieren. Die Diskussionen wurden durch die beauftragte Beteiligungsagentur moderiert. Diese fasste die genannten Argumente anschließend zusammen. Die Ergebnisse wurden auf einer Abschlussveranstaltung nach Ende des Online-Dialogs vorgestellt. Dort bestand auch noch einmal die Möglichkeit zur Diskussion.

 

Der Heidelberger Online-Dialog ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie ein solches Format formelle Planungsprozesse ergänzen kann. Die Teilnahmehürde wurde möglichst gering gehalten (keine Abfrage weiterer persönlicher Daten). Gleichzeitig konnte dank der Registrierungspflicht nachverfolgt werden, wie viele unterschiedliche Diskussionsteilnehmer es in den verschiedenen Themenbereichen jeweils gab.


Praxistipps

Werden die Ergebnisse des Online-Dialogs auf der Webseite oder auf einer Veranstaltung vorgestellt, sollte betont werden, dass diese nicht repräsentativ und damit nicht aussagekräftig für das Meinungsbild vor Ort sind – zumindest, wenn dies nicht, wie zum Beispiel durch eine Zufallsauswahl, sichergestellt wurde. Dieser Hinweis gilt insbesondere dann, wenn auch eine quantitative Auswertung vorgenommen wurde (siehe „Hintergrund und Prinzipien“).


Interessante Links und Literatur zum Thema Online-Dialog

http://www.nachbarschaftsverband.de/fnp/wind/ergebnisse_beteiligung/Dokumentation%20der%20Onlinebeteiligung%20in%20Heidelberg.pdf (Praxisbeispiel: Ergebnisbericht zum Online-Dialog zur Windenergie in Heidelberg)

 

https://www.heidelberg.de/hd,Lde/HD/service/19_10_2015+buergerbeteiligung+zu+windenergie+in+heidelberg+gestartet.html (Praxisbeispiel: Pressemitteilung zum Start des Beteiligungsverfahren in Heidelberg)

 

http://www.beteiligungskompass.org/article/show/160