Mithilfe großformatiger Plakate, auf denen jeweils eine Person mit Foto und prägnanten Statements abgedruckt ist, können in einer Bürgerausstellung verschiedene Perspektiven auf ein zentrales Thema aufgezeigt werden. Bei kontroversen Fragen kann dadurch Verständnis zwischen den Interessengruppen geschaffen werden. Zudem werden Argumente rund um das Thema gesammelt dargestellt. Die Plakate werden in Form einer Ausstellung inklusive Ausstellungseröffnung präsentiert.
Eine Bürgerausstellung bildet den Anfang eines Dialogprozesses. Daher sollte bald darauf ein weiteres Veranstaltungsformat im Rahmen des Beteiligungsverfahrens stattfinden. Da die Plakate den einzelnen Positionen „ein Gesicht geben“, eignet sich eine Bürgerausstellung gut für kontroverse und sogar konfliktreiche Themen.
Gruppengröße: je nach Ausstellungsort bis zu mehrere Tausend Personen
Zeitrahmen: Ausstellungseröffnung 3-4 Stunden; Ausstellung 2-4 Wochen
Kosten: Design- und Druckkosten; Raummiete und Verpflegung für Ausstellung und Eröffnung; ggf. Honorar für Fotograf und Interviewer
Zielgruppe: interessierte Bürger, Interessengruppen, Lokalpolitik
Grad der Beteiligung: Erfahrungsaustausch
Die Idee der Bürgerausstellung wurde in den 1990er Jahren im Rahmen einer Vorlesung des Psychologen Heiner Legewie zu qualitativen Methoden und gemeindepsychologischen Ansätzen entwickelt. Sie war zunächst eine Forschungsmethode, um die Perspektive der Menschen vor Ort einzubeziehen und aufzubereiten. Damit war sie auch gleichzeitig eine Methode zur Bürgerbeteiligung.
Eine Bürgerausstellung führt im Gegensatz zu vielen anderen Beteiligungsformaten, deren Ergebnisse hauptsächlich an Durchführende und Teilnehmer zurückgemeldet werden, zu einer öffentlichen Resonanz und bietet daher die Möglichkeit, einen kontinuierlichen Dialog über eine konkrete Fragestellung aufzubauen. Das gelingt vor allem auch durch die Verbindung sprachlicher und visueller Elemente.
Das Thema einer Bürgerausstellung sollte von aktueller Bedeutung für die Menschen vor Ort sein. Die Statements zu diesem Thema können in unterschiedlichem räumlichen Umfang gesammelt werden: Es können Menschen aus einer Kommune oder aus einer ganzen Region, prinzipiell auch aus einem Bundesland oder deutschlandweit befragt werden. Es ist zudem möglich, zum Beispiel bei einem kommunalen Thema zusätzlich Meinungen aus anderen Kommunen einzuholen, die sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben.
Gerade bei kontroversen Themen bietet eine Bürgerausstellung den Vorteil, dass auch Positionen zu Wort kommen, die nicht lautstark verteidigt werden. Zudem setzen sich die Menschen mit diesen Perspektiven auseinander, ohne dass sie deren Vertreter wie auf einem Podium persönlich angreifen können.
Zwar ist die Bürgerausstellung gut für kontroverse Themen geeignet. Sollte ein Konflikt jedoch bereits soweit eskaliert sein, dass sich kaum jemand mit Namen und Foto abdrucken lassen möchte, ist dieses Format nicht geeignet. Einzelne, wenige Plakate zu anonymisieren, ist dagegen machbar.
Eine Bürgerausstellung durchzuführen, ist durchaus aufwendig. Es kann jedoch entschieden werden, ob für die Vorbereitung eigenes Personal eingesetzt oder ein externer Dienstleister beauftragt wird. Zu einem professionellen Fotografen ist zwar zu raten, das Fotografieren kann aber auch der Interviewer übernehmen.
Damit eine Bürgerausstellung einen nachhaltigen Effekt entfalten und den weiteren Dialog unterstützen kann, muss sie in einen Beteiligungsprozess oder einen aktivierenden Forschungsprozess eingebettet sein. Oft werden Bürgerausstellungen im Rahmen eines Forschungsprojekts oder mit wissenschaftlicher Unterstützung erstellt.
Vorbereitung
Durchführung der Interviews
Durchführung der Ausstellung
Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Energieregion Lausitz“ wurde von April bis Oktober 2007 die Bürgerausstellung „Wir sind die ENERGIE der REGION“ gezeigt. Sie war eingebunden in die Internationale Bauausstellung (IBA) „Energieland Lausitz“ auf den IBA-Terrassen in Großräschen. Das Forschungsprojekt, gefördert vom Bundesumweltministerium und am Zentrum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin durchgeführt, sollte unter anderem auch Maßnahmen zur Öffentlichkeitsbeteiligung entwerfen. Die Bürgerausstellung wurde als eine dieser aktivierenden Maßnahmen konzipiert. Sie hatte zwei zentrale Ziele: Zum einen sollte die Bereitschaft der Bürger, sich für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu engagieren, sowie der Dialog in der Region über dieses Thema gefördert werden. Zum anderen sollten wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden: Kann eine Bürgerausstellung Menschen dazu motivieren, sich mit dem Thema erneuerbare Energien auseinanderzusetzen? Wie müsste das Format gegebenenfalls angepasst werden?
Für die Bürgerausstellung wurden 15 Personen zwischen 19 und 66 Jahren interviewt, davon acht Frauen und sieben Männer. Die meisten hatten keine fachliche oder berufliche Verbindung zum Thema erneuerbare Energien. Die Tätigkeiten reichten von einem Jugendlichen im freiwilligen sozialen Jahr über eine Polizeikommissarin und eine Pfarrerin bis hin zu einem Landtagsabgeordneten und einem Rentner, der zuvor in der Bergbau-Branche tätig gewesen war. Es wurden aber auch Interviews mit einigen Akteuren aus der Erneuerbare-Energien-Branche geführt. Die Interviewpartner wurden nach ihren Gedanken zur Energieregion Lausitz, ihren Wünschen und Visionen für die Zukunft der Region, insbesondere im Hinblick auf erneuerbare Energien, sowie den aus ihrer Sicht nötigen Maßnahmen gefragt. Zwölf der Befragten wurden nur für die Bürgerausstellung interviewt. Mit den anderen drei Personen – regionale Akteure im Bereich der erneuerbaren Energien – war schon im Rahmen einer Fallstudie gesprochen worden. Die prägnantesten Statements wurden zusammen mit biografischen Angaben und einem professionell aufgenommenen Foto auf Stelen statt auf Plakaten präsentiert. Zwei Personen wollten oder konnten nicht fotografiert werden. Die Stelen wurden in die IBA-Ausstellung „Energieland Lausitz“ integriert und zwischen den Exponaten verteilt aufgestellt. Zudem gab es eine „Hörstation“, an der sich die Besucher kurze Sequenzen aus den Interviews anhören konnten.
Die beiden Ausstellungen wurden im Beisein des Brandenburger Umweltministers, des regionalen Energieversorgers sowie Vertreter der Lokalpolitik eröffnet. Mehrere Hundert Besucher kamen zur Eröffnung. Den Interviewpartnern wurde mit einem Präsent für ihren Beitrag zur Bürgerausstellung gedankt.
Interessant an diesem Praxisbeispiel ist, dass sich die Ausstellung auf eine gesamte Region bezog. Wie die gesamte Ausstellung war auch die Bürgerausstellung Teil des IBA-Themenjahrs Energie. In diesem Zuge fanden viele Veranstaltungen und Aktionen statt, um Diskussionen anzuregen. Neben der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit war die Bürgerausstellung jedoch nicht in einen politischen Beteiligungsprozess eingebunden. Die Einbettung in eine andere Ausstellung birgt zudem das Risiko, dass die Bürgerausstellung nicht mehr als Gesamtheit zu erkennen ist.
Eine Bürgerausstellung kann durch multimediale und interaktive Elemente aufgelockert werden. So können kurze Audio- oder Filmsequenzen gezeigt werden oder die Möglichkeit geschaffen werden, als Besucher seine eigene Meinung einzubringen.