Vorhabenbezogenes Bürgerbüro einrichten

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Einrichtung eines vorhabenbezogenen Bürgerbüros

Abbildung: Vorhabensbezogenes Bürgerbüro

Eine wichtige Basis für die Beteiligung der Bürger an Planungsprozessen ist eine umfassende Informationspolitik. Gerade bei großen Projekten, von denen viele Menschen vor Ort betroffen sind, bietet es sich an, ein vorhabenbezogenes Bürgerbüros einzurichten. Vorhabenbezogen meint, dass sich dieses Bürgerbüro nur um die Angelegenheiten eines einzigen konkreten Vorhabens kümmert. Dort können sich die Bürger gezielt über das Projekt und die Beteiligungsmöglichkeiten informieren. Außerdem können im Rahmen eines Bürgerbüros auch Anregungen und Bedenken gesammelt werden. In der Praxis wird entweder das kommunale Bürgerbüro erweitert oder das vorhabenbezogene Bürgerbüro wird davon räumlich und administrativ getrennt eingerichtet.

 

Das Bürgerbüro sollte eingerichtet werden, wenn die Planungen konkreter werden und es schon einige Informationen zu dem Projekt gibt. Das Angebot sollte während der gesamten Planungsphase und bei konfliktträchtigen Bauvorhaben auch während der Bauphase verfügbar sein. Um Anregungen sammeln und verwerten zu können, sollte das Bürgerbüro schon eingerichtet sein, wenn es noch Planungsspielraum gibt. Besonders eignet sich die Einrichtung eines Bürgerbüros bei Planungen, die auf ein großes Interesse in der Bürgerschaft stoßen, zum Beispiel weil es um konfliktreiche Themen geht.

 

Gruppengröße: (je nach Kapazität des Büros fast) unbegrenzt

 

Zeitrahmen: begleitet die gesamten Planungen des Projekts

 

Kosten: (Info-) Material, Personalkosten für Betreuung des Bürgerbüros, evtl. Raummiete

 

Zielgruppe: interessierte Bürgerinnen und Bürger, insbesondere vom Projekt Betroffene

 

Grad der Beteiligung: Information, evtl. Konsultation


Hintergrund und Prinzipien

In Kommunen sind Bürgerbüros die zentralen Anlaufstellen zu verschiedenen Themen, die Bürger betreffen. Dieses Prinzip ist auch für große Vorhaben wichtig. Da jedoch eine gründliche Information im normalen Arbeitsbetrieb der Bürgerbüros kaum zu leisten ist, kann ein vorhabenbezogenes Bürgerbüro diese Aufgabe übernehmen. Durch den bekannten Begriff wissen die Menschen, dass sie sich bei Fragen dort melden können.

 

Das Angebot eines vorhabenbezogenen Bürgerbüros ist niedrigschwellig. Interessierte Bürger können sich informieren und ihre persönlichen Fragen loswerden, ohne einen vorgegebenen Termin wahrnehmen zu müssen. Zudem müssen sie ihre Fragen nicht im Rahmen einer Großveranstaltung vor vielen Zuschauern stellen. Das Bürgerbüro bietet somit einen geschützten Rahmen, um Anregungen und Bedenken loszuwerden.

 

Prinzipien:

  • Das Bürgerbüro sollte nicht die einzige Informations- und Beteiligungsmöglichkeit während des Planungsprozesses sein. Es sollte durch weitere Informations- und Veranstaltungsformate ergänzt werden.
  • Das Büro ist durch kompetente Mitarbeiter, externe, interne oder sogar die für die Planung zuständigen Sachbearbeiter besetzt.
  • Alle Bürger haben die Möglichkeit, das Bürgerbüro aufzusuchen. Konkret heißt dies: Das Büro ist barrierefrei – sowohl was die physische Erreichbarkeit als auch was die Aufbereitung des Informationen betrifft. Zudem ermöglichen es die Öffnungszeiten auch Berufstätigen vorbeizukommen.
  • Wenn es eine Möglichkeit gibt, Anregungen und Bedenken einzureichen, informiert das Bürgerbüro, was mit diesen geschieht.

Ablauf

Vorbereitung:

Wenn das vorhabenbezogene Bürgerbüro nicht an eine Einrichtung der Kommune angegliedert werden soll, müssen zunächst passende Räumlichkeiten gefunden werden. Diese sollten gut zu erreichen und einladend gestaltet sein. Die Mitarbeiter, die das Bürgerbüro betreuen, sollten vorher eine Einweisung in das Thema bekommen. Vorhandenes Informationsmaterial wird zusammengetragen oder neues erstellt. Das Bürgerbüro sollte vor und während der gesamten Laufzeit kontinuierlich beworben werden.

 

Durchführung:

Die Öffnungszeiten des vorhabenbezogenen Bürgerbüros müssen auch Berufstätigen die Möglichkeit geben, sich dort zu informieren. Wie oft das Bürgerbüro geöffnet ist, hängt vom erwarteten Interesse ab. Während der Öffnungszeiten haben die Bürger die Möglichkeit, sich Infomaterialien wie z. B. Broschüren, Poster und Visualisierung anzuschauen und mitzunehmen sowie im persönlichen Gespräch Fragen zu klären. Weiterhin kann, z. B. mit Hilfe einer Pinnwand, die Möglichkeit geschaffen werden, Anregungen und Bedenken zu Papier zu bringen.

 

Nachbereitung:

Das Bürgerbüro begleitet den gesamten Planungsprozess. Wann das Angebot endet, sollte entweder von Anfang an kommuniziert oder mehrere Wochen vor dem Ende angekündigt werden.


Hinweise

Manchmal werden auch Online-Bürgerbüros eingerichtet. Diese Option ist besonders bei breiter Betroffenheit und einer internetaffinen Zielgruppe sinnvoll. Allerdings muss es auch hier Möglichkeiten geben, seine individuellen Fragen zu stellen, z. B. durch einen interaktiven Fragebereich, eine Chat-Funktion oder eine zusätzliche Hotline. Werden lediglich Informationen bereitgestellt, sollte dies nicht als Online-Bürgerbüro sondern lediglich als Projekt-Homepage bezeichnet werden.


Praxisbeispiel: Bürgerbüro des Projekts „Energieoffensive Wolfhagen“

Ein Bürgerbüro zum Thema Energiewende richtete die hessische Kleinstadt Wolfhagen Ende 2012 ein. Es entstand im Rahmen des Modellvorhabens "Wolfhagen 100% EE - Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung für die Stadt Wolfhagen", das unter der Initiative Energieoffensive Wolfhagen durchgeführt wurde.

 

Das als Projektbüro bezeichnete Team bestand aus zwei Mitarbeiterinnen. Ihre Aufgaben waren es, die Menschen vor Ort zu den Themen Energiesparen, Energieeffizienz, Energiegewinnung und Energiewende zu beraten und sie, wenn nötig, an die richtigen Ansprechpartner, zum Beispiel Energieberater, zu verweisen. Daneben wurden durch das Projektbüro Veranstaltungen und Bürgersprechstunden zu diesen Themen organisiert und die verschiedenen örtlichen Akteure zusammengebracht. Das Projektbüro öffnete an drei Tagen die Woche, jeweils drei bis vier Stunden. An zwei Tagen war es vormittags und an einem Tag nachmittags bis abends geöffnet, was den berufstätigen Wolfhagenern entgegenkam. Zudem bestand die Möglichkeit, Termine zu vereinbaren.

 

Die Wolfhagener konnten sich sowohl informieren als auch Anregungen zu dem Projekt und Themenwünsche für kommende Veranstaltungen äußern.

 

Durch den vorangegangenen Prozess, in dem seit den 1990er Jahren an Energieeffizienz und -versorgung gearbeitet worden war, bestand schon Bewusstsein und Interesse bei den Bürgern, sodass auf große Informationskampagnen verzichtet werden konnte. Stattdessen sollte eine gezielte Beratung zur Umsetzung der Energiemaßnahmen beitragen.

 

Das Modellvorhaben wurde zwar Ende 2017 abgeschlossen, das Büro war jedoch noch bis Ende Juni 2018 in vollem Umfang geöffnet. Nun soll ein Klimamanager die Aufgaben zum 1. September übernehmen. Bis dahin wird das Projektbüro mit eingeschränkten Öffnungszeiten arbeiten.

 

Das Beispiel aus Wolfhagen zeigt, dass ein Bürgerbüro auch angeboten werden kann, um der Umsetzung der Energiewende auf die Sprünge zu helfen. Hier stand die allgemeine fachliche Information und Beratung im Vordergrund, weniger das Projekt selbst.


Praxistipps

Um ein umfassendes Angebot im Bürgerbüro anbieten zu können, ist es hilfreich, sich um Projektpartner und Förderungen zu bemühen - ob im Rahmen eines Modellprojekts wie in Wolfhagen oder durch die Unterstützung von Windenergieunternehmen oder Bürgerenergiegesellschaften im Rahmen von Windenergieplanungen.


Interessante Links und Literatur zum Thema Bürgerbüro

  • Dialog schafft Zukunft: Werkzeugkasten Dialog und Beteiligung. Ein Leitfaden zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Düsseldorf 2017., S. 72.
  • https://www.energieoffensive-wolfhagen.de/menu/kontakt (Praxisbeispiel Wolfhagen)