Infomaterial in verständlicher Sprache verwenden

draggable-hero color-white

Die Verwendung von Infomaterial in verständlicher Sprache

Abbildung: Infomaterial in verständlicher Sprache

Wenn Personen Informations- und Beteiligungsangebote nicht wahrnehmen, kann dies verschiedene Ursachen haben. Ein nicht zu vernachlässigender Grund ist, dass manche Menschen Schwierigkeiten haben, komplexere Texte zu lesen. Dies macht die meisten Informationen und damit auch Beteiligungsverfahren für sie unzugänglich. Beteiligung sollte jedoch so inklusiv wie möglich sein. Infomaterial auch in vereinfachter Sprache anzubieten, bietet die Chance, diejenigen zu erreichen, die mit detaillierten Texten nicht zurechtkommen.

 

Informationen in vereinfachter Sprache sollten vor allem die generellen Aspekte einer Planung (Bei einem konkreten Vorhaben z. B.: Was soll wo gebaut werden? Welche Auswirkungen hat dies?) abdecken, früh zur Verfügung gestellt werden und den gesamten Planungsprozess begleiten.

 

Gruppengröße: unbegrenzt

 

Zeitrahmen: einmal erstellt, theoretisch unbegrenzt nutzbar (solange aktuell)

 

Kosten: Druck- und Materialkosten, Kosten für Übersetzungsbüro

 

Zielgruppe: Menschen mit geringer Lesekompetenz der deutschen Sprache (unter anderem, aber nicht ausschließlich Menschen mit Lernschwächen oder Migrationshintergrund)

 

Grad der Beteiligung: Information


Hintergrund und Prinzipien

Planungs- und Projektinformationen sowie Beteiligungsverfahren sollten möglichst viele Menschen erreichen, darüber sind sich die meisten Beteiligungsexperten einig. Doch wie gelingt dies? Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Stichwort Barrierefreiheit. Hierbei geht es nicht nur darum, zum Beispiel die Veranstaltungsorte auch für mobilitätseingeschränkte Personen zugänglich zu machen. Es sollte ebenfalls der inhaltliche Zugang für Menschen mit verschiedenen sprachlichen Kompetenzen ermöglicht werden. Es lohnt sich daher, sich mit dem Thema der Einfachen und Leichten Sprache zu beschäftigen.

 

Die Leichte Sprache wurde in den 1970ern in den USA von einer Organisation für Menschen mit Lernschwierigkeiten unter dem Begriff „Easy Read“ entwickelt. In den 1990ern wurde die Idee des „Easy Read“ auch von deutschen Netzwerken aufgegriffen. Die Idee der Einfachen Sprache kommt hauptsächlich aus dem Bibliotheks- und Verlagswesen und entstand im Zusammenhang mit der Verankerung des Rechts auf Lesen in den frühen 1990er Jahren.

 

Leichte Sprache ist genau definiert. Was beim Verfassen solcher Texte zu beachten ist, hat das Netzwerk Leichte Sprache festgelegt (siehe unten). Neben den Schreibregeln ist zudem wichtig, die Texte sogenannten Prüfern vor der Veröffentlichung vorzulegen. Die Prüfer kommen aus der jeweiligen Zielgruppe, sind also zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten. Sie können am besten beurteilen, ob der Text für diese Zielgruppe generell verständlich ist oder nicht.

 

Die Einfache Sprache ist dagegen eine weniger standardisierte Form der vereinfachten Sprache. Sie ist etwas komplexer als Leichte Sprache. Die Pflicht, den Text von der Zielgruppe gegenlesen zu lassen, entfällt, da die Zielgruppe diverser ist. Mit dieser Sprache sollen vor allem Menschen angesprochen werden, die ein geringeres Bildungsniveau haben, über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten mit dem Lesen von langen, komplexen Sätzen haben. Das Sprachniveau entspricht in etwa A2 bis B1 des europäischen Referenzrahmens.

 

Laut der LEO-Studie 2018 sind über sechs Millionen Erwachsene in Deutschland nur „gering literalisiert“; sie können einzelne Wörter oder höchstens kurze Sätze lesen und schreiben. Sie können von Texten in Leichter Sprache profitieren. Die Zielgruppe für Texte in Einfacher Sprache ist sogar noch deutlich größer.

 

Wenn Infomaterial in Einfacher oder Leichter Sprache erstellt werden soll, müssen meist Aspekte und Details weggelassen werden, die zum Beispiel in einer Infobroschüre in „normaler“ Sprache aufgenommen werden würden. Man sollte daher den Anspruch ablegen, allumfassendes oder besonders rechtssicheres Material zu erstellen. Es geht stattdessen um eine allgemeine Information zu einem Energiewendethema bzw. einem Vorhaben in verständlicher Form. Dies kann in der Einleitung des Infotextes deutlich gemacht werden.

 

Um Menschen mit Leseschwierigkeiten in einen Prozess auch wirklich einzubeziehen, sind offene Veranstaltungsformate nötig, die explizit auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe zugeschnitten sind. Einige Anhaltspunkte bietet zum Beispiel das Netzwerk Leichte Sprache in einer Broschüre zu Tagungen in Leichter Sprache. Die Teilnahme an formellen Beteiligungsverfahren erfordert aufgrund der Komplexität der Unterlagen und den Anforderungen an die Stellungnahmen oftmals ausgeprägte Sprach- bzw. Schriftkenntnisse und ist für die Zielgruppen Einfacher und Leichter Sprache daher meist nicht ohne Hilfe möglich.

 

Prinzipien:

Leichte Sprache:

  • Kurze Sätze (max. acht Wörter)
  • Keine Fach-/Fremdwörter (unvermeidbare Fremdwörter werden erklärt)
  • Trennung von zusammengesetzten Wörter mit Bindestrich
  • Vermeidung von Passiv, Genitiv und Konjunktiv
  • Einfacher Satzbau
  • Usw.

(nach Netzwerk Leichte Sprache)

 

Einfache Sprache:

  • Kurze Sätze (max. 15 Wörter)
  • Höchstens ein Nebensatz/ein Komma pro Satz
  • Möglichst keine Fach-/Fremdwörter oder nur mit Erklärung derselben
  • Klare Satzstruktur
  • Usw.

Ablauf

  1. Zielgruppe bestimmen: Zunächst sollte man überlegen, für wen die Infomaterialien angefertigt werden sollen. Verstehen diese Personen Einfache Sprache oder sollte es besser Leichte Sprache sein? Diese Entscheidung hat Einfluss auf die anschließende Vorgehensweise.
  2. Informationen zusammenstellen und Format bestimmen: Nun müssen die Informationen ausgewählt werden, die es zu vermitteln gilt, und entschieden werden, in welchem Format sie präsentiert werden (Flyer, Plakat o. ä.). Dabei ist zu beachten, dass die Anzahl der Aspekte sowie die Detailschärfe niedriger sein sollte als bei Infomaterialien in „normaler“ Sprache; bei Leichter Sprache ist sie noch geringer als bei Einfacher Sprache.
  3. Texte anfertigen und prüfen lassen: Bei der Erstellung der Texte sollte mit einem entsprechenden Büro zusammengearbeitet werden. Bei Texten in Leichter Sprache müssen die Texte anschließend von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf ihre Verständlichkeit hin geprüft werden. In der Regel leitet das Übersetzungsbüro dies in die Wege. Aber auch bei Texten in Einfacher Sprache lohnt es sich, sie zur Überprüfung Personen aus der Zielgruppe vorzulegen.
  4. Design und Druck der Infomaterialien: Die Texte werden in ein leserfreundliches Layout eingefügt. Auch dabei lohnt es sich, mit dem Übersetzungsbüro zusammenzuarbeiten. Anschließend werden die Infomaterialien in den Druck gegeben.

Hinweise

Es kann sinnvoll sein, Texte in Leichter oder Einfacher Sprache zum Thema Energiewende allgemein bzw. zu einer bestimmten erneuerbaren Energieform zu erstellen. Diese können bei einem konkreten Vorhaben dann um Informationen zum Projekt ergänzt werden.

 

Infomaterialien zu konkreten Projekten sollten jedoch nicht nur in vereinfachter Sprache erstellt werden, sondern es sollte auch eine detaillierte Version in „normaler“ Sprache geben. Denn es gibt bei jedem Projekt Menschen, die möglichst viel über das Vorhaben wissen möchten.


Praxisbeispiel: Broschüre in Leichter Sprache – „Windenergie in Schleswig-Holstein“

Die Landesgeschäftsstelle Schleswig-Holstein des Bundesverbands Windenergie (BWE) hat 2015 eine Broschüre zum Thema Windenergie in Leichter Sprache veröffentlicht. Auf 15 Seiten werden die Aspekte Energie und Windenergie allgemein, Windenergie in Schleswig-Holstein sowie andere erneuerbare Energien und Stromkosten mit kurzen Texten und jeweils durch Bilder unterstützt erklärt. Der Text in Leichter Sprache sowie die Bilder wurden von der Lebenshilfe Bremen entworfen. Die Broschüre entstand unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins. Verteilt wurde sie unter anderem über Bildungseinrichtungen an der Westküste, die auch Sprachkurse geben, und die Diakonie. Zudem kann sie online heruntergeladen werden.

 

Zum Thema Energiewende gibt es bislang noch kaum Material in verständlicher Sprache. Die Broschüre des BWE ist ein gelungenes Beispiel, wie über Windenergie in Leichter Sprache informiert werden kann.


Praxistipps

Das Layout sollte zwar klar und übersichtlich, aber keinesfalls kindlich gestaltet sein. Die Zielgruppen von Einfacher und Leichter Sprache sind Erwachsene, die sich durch ein solches Design nicht ernstgenommen fühlen würden.


Interessante Links und Literatur zum Thema Infomaterial in verständlicher Sprache

  • https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/02-technik-und-netze/02-funktionsweise/20150910_windenergie_sh_leichte_sprache.pdf (Praxisbeispiel Broschüre des BWE Schleswig-Holstein zur Windenergie in Leichter Sprache)
  • https://www.leichte-sprache.org/wp-content/uploads/2017/11/Regeln_Leichte_Sprache.pdf (Regelwerk des Netzwerk Leichte Sprache)
  • https://www.bpb.de/apuz/179341/leichte-und-einfache-sprache-versuch-einer-definition
  • https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/10-grund-saetze-fuer-eine-gute-buerger-beteiligung-1/